Versuchsanordnung1

Eine maßvolle unternehmerische Versuchsanordnung

Der Weg der Mitte

Eigentlich schade, dass das schöne Wort mittelmäßig in unserer Sprache als Ausdruck von etwas gilt, das gerade mal so hinreicht, nichts Besonderes ist, einfach ohne jede Starqualität.

Wer will schon mittelmäßig sein? Spitzenmäßig ist das Ziel.

Gleichzeitig reden alle vom Verlust der Mitte, der Mittelschicht als Garant für die soziale Stabilität der Gesellschaft, der gemäßigten Positionen.

Wo man hinschaut Extreme, wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, Teilhabe und Ausgrenzung, Polarisierung, Feindbilder, Fronten, Konzerne, Monopole...

Da gab es doch mal die goldene Mitte, als Idee von Aristoteles, der die Tugend in der Mitte zwischen den Extremen ansiedelte. Oder der mittlere Weg der Buddhisten, als Synonym für den achtfachen Pfad zur Erleuchtung.

Wir müssen aber nicht Buddhisten oder Philosophen sein, um den Weg der Mitte zu gehen. Die Sehnsucht nach mehr Ausgewogenheit und Balance verspüren viele Menschen heute, nicht nur weil die Erde danach ruft, sondern auch weil wir selbst den Preis des  Immer-mehr, Immer-größer, Immer-schneller schon lange nicht mehr bezahlen können.

Wie kommen wir also wieder zur ersehnten Ausgewogenheit, zur goldenen Mitte, in die Balance? Wie können wir den Weg der Mitte finden, ohne dass es ein fauler Kompromiss wird? Wo verorten wir uns da als Unternehmen? Was ist der Weg der Mitte als Unternehmenskonzept, das auf die aktuellen Bedürfnisse aller Beteiligten maßvoll antwortet?

Die Größe unseres Unternehmens orientieren wir an den Bedürfnissen unserer Kunden und unseren eigenen Möglichkeiten. Denn der Weg der Mitte kann nur aus unserer eigenen Mitte heraus gestaltet werden. Das braucht Selbsterkenntnis und die Fähigkeit, auch die eigenen Schatten wahrzunehmen und gemeinsam zu transformieren.

Und wenn uns das Ganze über den Kopf wächst, dann müssen wir entweder selbst nachwachsen oder uns mit Menschen verbinden, deren Möglichkeiten an den entsprechenden Stellen größer sind als unsere eigenen.

Voneinander lernen, Wissen teilen, miteinander reifen.

Wir verstehen unser Handwerk bis in die Tiefe, die Bedingungen der Rohstoffe, wir wissen, wieviel Zeit unsere Hefen brauchen, damit sie den Geschmack entwickeln, den wir uns vorstellen, damit die Stärke soweit verquollen ist, dass unsere Backwaren von allen Menschen gut vertragen werden. Wir wissen, wie wir das richtige Raumklima schaffen für all die Billionen Mikroorganismen, unsere unsichtbaren Mitarbeiter.

Gleichzeitig schätzen wir die Technik, die besten Ergebnisse denkerischer Arbeit, die unseren Mitarbeitern physische Arbeit erleichtern, die uns eine 5-Tagewoche ohne Nachtarbeit ermöglichen und unsere handwerklichen Prozesse übersetzen. So können wir gutes Essen für viele Menschen machen und nicht nur für einige wenige.

Wenn wir Besucher zu Gast haben, gibt es immer wieder Erstaunen über die Größe unserer Backstube, für die das Wort Stube schon lange nicht mehr zutreffend ist.

Nach Fertigstellung unseres Neubaus arbeiten wir auf einer Fläche von 4000 qm und genießen nach Jahren großer Enge die räumliche Großzügigkeit sehr.

Und ebenso viel Erstaunen ruft oft unsere technische Ausstattung hervor, unsere Hebekipper, Tourieranlagen, die die Butter in den Teig bringen und durch eine Falttechnik - das sogenannte Tourieren - die vielen Teigschichten herstellen, ebenso wie unsere Verpackungsanlagen.

Sind wir eine Industriebäckerei?

Dann gehen wir in die kühlen, feuchten Teigruheräume und lassen unsere Besucher die herrlichen Aromen schnuppern, die sich nach 18 oder 24 Stunden Teigreife entwickelt haben. Und wenn sie zuschauen, mit wieviel Können und Aufmerksamkeit unsere MitarbeiterInnen die La Flutes drehen, die Foccacias belegen oder die Franzbrötchen platt drücken, dann sind sie beeindruckt.

Sind wir eine Handwerksbäckerei?

Wir haben für uns einen neuen Begriff gefunden.

Wir sind eine technisch gut ausgerüstete Manufaktur, die wir eigentlich "Corfaktur" nennen müssten, wenn das nicht so ein merkwürdiges Wort wäre.

„Cor“ kommt wie „manu“ - die Hand, aus dem Lateinischen und bedeutet „Herz“. Denn weder aus der Hand noch aus der Maschine entsteht die seelische Qualität unseres Essens, sondern aus der Haltung, in der wir arbeiten. Und die kommt vom Herzen, als einem zukünftigen Denkorgan, das zu entwickeln wir als unsere unternehmerische Aufgabe verstehen.


Veröffentlicht 
am 11. Februar 2019
von Brigitta Sui Dschen Mattke

Schlagwörter

Haltung | Souverän | Energie | Qualität | Nachhaltigkeit